
Bildbeschreibung:
Auf dem Foto sind Lena und Koi.
Lena ist weiß und hat braune Haare.
Dey trägt ein weißes Shirt und gelbe Ärmel.
Lena sitzt im Rollstuhl. Über den Beinen liegt eine Mad Pride Flagge.
Koi ist weiß und trägt schwarze Klamotten.
Em hat einen langen lila und pink gestreiften Schal um.
Daran hängt ein Faultier-Stofftier.
Koi trägt eine Kappe, Hörner und spitze Ohren.
Bildbeschreibung Ende.
Am 11. Mai war die Mad Pride Köln.
Das Thema war: Democracy needs you.
Das ist englisch und heißt: Demokratie braucht dich.
Das kann verschiedenes bedeuten.
Unsere Rede nennt ein paar Sachen.
Lena und Koi haben für die Disability und Mad Pride Bonn gesprochen.
Andere Personen haben geholfen die Rede zu schreiben.
Danke dafür!
Es gibt ein Video von der Rede.
Das findet ihr auf unserem YouTube-Kanal.
Link: https://youtu.be/nia29QDVSz8
Leider gab es während der Rede viele andere Geräusche.
Wir sind schwer zu verstehen.
Manchmal hat das Mikrofon nicht funktioniert.
Es gibt Untertitel.
Jetzt kommt unsere Rede:
Hallo, wir sind Koi, Pronomen em/ems
und Lena, Pronomen dey/deren, von der Disability und Mad Pride Bonn.
Vorsicht!
Wir sprechen über Ableismus und darüber, dass unsere Leben als behinderte Menschen als weniger wertvoll angesehen werden.
Und über Nazi-Deutschland.
Einfache Sprache:
Wir sagen kurz in Einfacher Sprache, worüber wir sprechen:
Demokratie braucht uns alle.
Demokratie ist, wenn alle mit entscheiden dürfen.
Es ist für viele schwer, aktiv etwas zu machen.
Gerade behinderte Menschen können oft nicht auf Demonstrationen gehen.
Viele behinderte Menschen dürfen inzwischen wählen.
Es gibt aber kaum behinderte Menschen in den Parlamenten.
Oft entscheiden Menschen ohne Behinderung über unser Leben.
Wir sagen: Nichts ohne uns über uns.
Wir wollen selbst entscheiden.
Wir erklären noch 2 Wörter:
Ableismus ist die Diskriminierung von behinderten, chronisch kranken, psychisch kranken, Verrückten, neurodivergenten und oder T*auben Menschen.
Zu diesen Menschen sagen wir oft auch CIMND*.
Denn nicht alle sagen über sich selbst: Ich bin behindert.
Schwere Sprache:
Demokratie braucht mich, braucht dich, braucht uns.
Weil sie wehrhaft sein muss. Eine wehrhafte Demokratie macht aktiv etwas gegen Faschismus und alles, was die Demokratie bedroht. Sie sorgt dafür, dass Feind*innen der Demokratie niemals die Chance bekommen, die Demokratie abzuschaffen. Hält sie zu lange aus, wird sie zu lange nicht aktiv, wird sie schwach.
So wehrhaft ist unsere Demokratie grad nicht. Rechte Menschen dürfen überall ihren menschenverachtenden Scheiß teilen, marginalisierte Menschen erleben immer mehr Diskriminierung, nie wieder war gestern schon zu spät.
Wir wehren uns, damit die Demokratie wehrhaft ist.
Dazu gehört, sich gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit einzusetzen. Für eine gerechte Demokratie für alle.
So wie wir hier heute.
Solange wir in Psychiatrien, Wohnheime und Werkstätten gesteckt und entrechtet werden, solange wir als weniger wert betrachtet werden, als Gefahr, solange ist dieses unterdrückende System eine Gefahr – nicht nur für uns. Die Geschichte hat gezeigt, dass das eine Gefahr für alle ist. Besonders, wenn die Demokratie schwach wird oder gar ausgehebelt wird. Nazi-Deutschland hat als Diktatur marginalisierte Gruppen ganz massiv verfolgt und versucht, zu vernichten. Auch Hunderttausende behinderte, als behindert gesehene, psychisch kranke und institutionalisierte Menschen wurden ermordet, viele weitere zwangssterilisiert – offiziell hieß es, dass sie von ihrem „unwerten Leben“ erlöst wurden.
Demokratie braucht mich, braucht dich, braucht uns.
Wir wissen aber auch, nicht alle von uns haben immer die Kraft dazu.
Oder die Zeit.
Oder die Löffel, also die Energie.
Und das wissen wir als behinderte, chronisch kranke, psychisch kranke, neurodivergente, T*taube Menschen, Krüppel und oder Verrückte, kurz CIMND* Menschen, ganz besonders gut.
Wir wissen, dass Demonstrationen oft einfach nicht zugänglich sind.
Weil sie nicht barrierefrei genug sind.
Weil unser Körper andere Pläne hat als wir.
Weil wir so sehr mit Überleben beschäftigt sind.
Wir wissen aber auch ganz besonders gut, dass Aktivismus nicht nur zugänglicher wird, sondern auch nachhaltiger und ganzheitlicher und stärker, wenn wir alle mitnehmen. Wenn die uns anführen und eine Rolle spielen, die am meisten marginalisiert werden.
Sie wissen am besten, wie zum Beispiel Demos barrierefreier werden.
Wir wissen, wie wir kreative Lösungen finden und mit Widersprüchen umgehen können.
Wie wir in den Grenzen unserer Körper aktiv sein können und die Grenzen nicht überschreiten. Aber auch, dass wir diese Grenzen mal überschreiten können. Weil manche Dinge es wert sind, dafür unsere Grenzen zu überschreiben. Wir wissen, wie wichtig es ist, währenddessen und danach füreinander da zu sein und uns gegenseitig zu unterstützen.
Demokratie braucht mich, braucht dich, braucht uns.
Aber hey, wir haben’s doch so gut. /Sarkasmus
Wow, inzwischen dürfen viele behinderte Menschen sogar wählen.
Also die mit deutschem Pass.
Und die, die über 18 Jahre alt sind.
Und doppelt wow, es gibt ja sogar behinderte Abgeordnete.
Also, ein oder zwei oder so.
Von denen wir wissen, dass sie eine Behinderung haben.
Die anderweitig meistens sehr privilegiert sind.
Und denen dann in der Arbeit in den Parlamenten vielen Schwierigkeiten, Barrieren und Diskriminierung begegnen.
Mensch, Lena, wir sollten echt mal dankbar sein.
Könnte noch viel schlimmer sein.
Wohl wahr, könnte schlimmer sein, aber auch viel viel besser.
Wie soll der Grundsatz „Nichts ohne uns über uns“ umgesetzt werden, wenn behinderte Menschen so selten die Entscheidungen treffen?
Wenn nicht-behinderte Personen uns nicht auf dem Schirm haben?/rw
Wenn das gesellschaftliche Bild von Behinderung ist: Oh du armes Ding, dein Leben ist ja furchtbar. Ich könnte das ja nicht, so zu leben.
Oder: Du bist doch nur faul.
Oder auch gut: Das bildest du dir nur ein?
Oder: Du übertreibst.
Bei solchen Bildern und Ansichten ist mit uns über uns zu sprechen anscheinend kaum eine Option. Wie auch, wenn wir so sehr leiden. Wenn wir nicht als volle Menschen gesehen werden. Wenn wir nicht als Expert*innen unseres eigenen Lebens anerkannt werden.
Wenn andere uns nicht den Raum geben/rw, dann nehmen wir ihn uns.
Wir sind hier, wir sind laut.
Auf ganz viele verschiedene Arten.
Manchmal sind wir laut, und andere hören es.
Manchmal sind wir laut, und andere sehen es – weil es ein gebärdensprachliches, schriftliches oder nicht-verbales Laut-Sein ist.
Manchmal sind wir laut und andere bekommen es nicht mit.
Aber nicht nur wir sind laut, weil wir hier sind.
Auch die, die nicht hier sind, können laut sein.
Viele sind laut.
Zum Beispiel am Handy oder am PC. Im Gespräch mit Freund*innen. Auf der Arbeit.
Oder im Bett.
So wie unsere Geschwister mit ME/CFS, also Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrom, die Leute zur Liegenddemo aufgerufen haben, weil sie zu krank sind, um selbst zu demonstrieren. Stellvertretend für sie demonstrieren andere heute auf dem Altermark.
Wir als Disability und Mad Pride Bonn sagen:
Es gibt so viele Arten, aktiv zu sein.
Und wir erkennen an, dass gerade CIMND* Personen oft die Energie fehlt.
Wir sind kreativ, weil diese Welt nicht für uns gemacht ist. Wir finden andere Wege, was für die Demokratie zu machen, weil die herkömmlichen Wege oft nicht funktionieren.
Lasst uns gemeinsam solidarisch und intersektional aktiv und wehrhaft sein.
Und uns gegenseitig unterstützen.
Heute und an allen anderen Tagen.
Zum Beispiel bei unserer nächsten Disability und Mad Pride Bonn.
Am 12. Juli ab 13 Uhr in Bonn auf dem Frankenbadplatz.
Wir starten mit Infoständen, dann kommt eine Kundgebung.
Wir freuen uns, wenn wir viele sind und auf verschiedene Arten laut gegen Ableismus werden / sind.
Heute hier und morgen woanders.